Naturschutz schlägt Umweltschutz
Dieser seltene Gast bringt die Windräder zu Fall

Ein weiterer Fall von Naturschutz versus Umweltschutz. Dieses Mal scheitern Windkraftinvestoren an einem Vogel, der in Deutschland gar nicht mehr brütet, aber manchmal hier rastet.
Haben Sie schon einmal vom Mornellregenpfeifer gehört oder einen gesehen? (Hobby-)Ornithologen sicherlich, die breite Masse aber wohl eher nicht. Denn laut dem Natuschutzbund brütet der Mornellregenpfeifer – Mornell kommt von lateinisch morinellus, kleiner Narr – in Deutschland nicht mehr. Er gilt hierzulande als ausgestorben, sein weltweiter Bestand aber gilt laut NABU als „gesichert, wenn auch schwankend“.
Im Sommer lebt der Mornellregenpfeifer vor allem nördlich des Polarkreises. Im Herbst kann der Zugvogel auf seinem Weg in den Süden aber auch vereinzelt in unserer Region beobachtet werden. Und dies offensichtlich in den vergangenen Jahren häufiger als früher. Eine Theorie der Fachleute: Der Klimawandel sorge im Spätsommer/Herbst für mehr Trockenheit im Südwesten Deutschlands, was dem Mornellregenpfeifer offensichtlich entgegenkomme. Er bevorzugt trockene Böden als Rastplatz.
Eine Mornellregenpfeifer-Sichtung gab es im Jahr 2013 auch im Zollernalbkreis, konkret im Gewann Esch in Täbingen, einem Teilort der Stadt Rosenfeld, unmittelbar an der Grenze zum Landkreis Rottweil. Und fortan offensichtlich alljährlich, wie aus einer Stellungnahme des Täbinger Ortschaftsrats an den Regionalverband Neckar-Alb hervorgeht.
Just im Bereich des Mornellregenpfeifer-Rastplatzes waren Überlegungen für einen Standort von Windkraftanlagen bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Das Berliner Unternehmen „Qualitas Energy Deutschland“ nahm Ende 2022, Anfang 2023 Kontakt zu dortigen Grundstückseigentümern auf. Das Ziel: Mittels sogenannter Gestattungsverträge auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen zwischen 5 und 7 Windräder errichten zu dürfen.
Im Ort aber entwickelte sich Widerstand gegen die Pläne. Als noch nicht abzusehen war, dass ein Zugvogel das Gesamtprojekt zum Einsturz bringen würde, wurde die mögliche Fläche in Täbingen bereits deutlich reduziert, weil ansonsten zwei benachbarte Orte im Landkreis Rottweil über die Maßen von diesen und weiteren Windkraftanlagen beeinträchtigt worden wären.
Täbingens Ortsvorsteher Daniel Jäschke war im Gespräch mit Schwäbische.de hörbar zufrieden mit der Absage an die Windkraftanlagen. Der Ortschaftsrat hatte dem Regionalverband Neckar-Alb, der derzeit mögliche Standorte für Windkraftanlagen in den Landkreisen Zollernalb, Reutlingen und Tübingen definiert, hierzu schon vor geraumer Zeit eine Stellungnahme zukommen lassen. Und darin explizit auf den Täbinger Rastplatz des Mornellregenpfeifers verwiesen.
Laut Gutachten, die dem Ortschaftsrat vorlägen, zähle der Bereich der geplanten Windkraftanlagen „zu den landesweit fünf wichtigsten Gebieten für diese Vogelart“. Windkraftanlagen würden „mit größter Sicherheit den Rastplatz westlich Täbingens zerstören“. Selbst ein Abstand von mehreren hundert Metern zu einer Anlage werde von den Regenpfeifern nur in absoluten Ausnahmen toleriert.
Man kann diesen Eingriff in die Landschaft nicht im für den Mornellregenpfeifer notwendigen Maß ausgleichen, Dirk Seidemann, Direktor des Regionalverbands
„Einen Ersatz für einen solchen Rastplatz zu schaffen, ist nahezu unmöglich, da es sich stets um weite, weitestgehend baumlose Flächen in exponierter Lage handelt, wie sie vor allem im südlichen Baden-Württemberg selten vorkommen“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Ein Ausgleichen oder gar Umsiedeln sei auch aufgrund der ausgeprägten Rastplatztradition praktisch kaum machbar.

Quelle: Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa, paca vom Mi 29.01.2025
Verfasser: Klaus Irion / schwaebische.de
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